Tinnitus & Hörsturz
Eine Störung in der Beziehungswelt des Betroffenen
So erfolgreich der technische Fortschritt in der Akutmedizin auch sein mag, im Bereich der chronischen Störungen oder Erkrankungen nützt das biomedizinische Vorbild wenig bis gar nichts. Denn chronische Störungen wie Tinnitus oder Hörsturz entstehen in der Beziehungswelt eines Menschen, werden dort aufrechterhalten und können daher auch nur dort angemessen behandelt werden.

Wir kommen um eine Tatsache nicht herum, und wenn wir ehrlich sind, haben wir es auch schon immer irgendwie gespürt: Körperliche und seelische Belastungen sind immer auch eine natürliche Repräsentation unserer Beziehungen zu uns selbst und zu anderen. Unsere andauernde, subjektive Bewertung unserer Beziehungen können wohltuend oder eben auch sehr belastend wirken und drücken sich zwangsläufig in unseren verschiedenen Körpersystemen, wie Nervensystem, Immunsystem, Verdauungssystem und viele mehr aus – und alle Körpersysteme können mit ihrer Erregung wiederum belastend auf unsere Bewertung unserer Beziehungen wirken.
Das Ohr selbst hört nichts
Das Ohr hört selbst nichts. Es verwandelt nur Luftbewegungen in kleine elektrische Frequenzmuster, die im ersten Schritt vom autonomen, vegetativen Nervensystem in sagenhaften 10 Millisekunden geprüft werden, ob es sich dabei um als harmonische Klänge oder Gefahrensignale handelt. Die Prüfung erfolgt nach einer einfachen Ampelschaltung, entsprechend einer Verkehrsampel: GRÜN – Alles ist gut! >> GELB – Achtung Gefahr! >> ROT – Geht ja gar nicht, sofort totstellen!

Erst im zweiten Schritt, wenn das „markierte Frequenzmuster“ nach 10 Millisekunden ankommt, beginnt im Gehirn ein riesiges Erinnerungs-Gewusel. In allen Hirnregionen und Gehirnwindungen wird nach dem Sinn des „markierten Frequenzmuster“ gesucht – und wenn alles gut geht haben wir 570 Millisekunden später die kognitive Erkenntnis. Alles noch innerhalb einer Sekunde, also innerhalb von knapp 0,6 Sekunden.
Ein Beispiel: Wir hören Musik, doch das Ohr erkennt die Luftbewegungen definitiv nicht als Musik! Sie werden innerhalb von 10 Millisekunden in elektrische Frequenzmuster umgewandelt und mit GRÜN markiert. Das Gehirn bekommt jetzt grünmarkierte Frequenzmuster und assoziiert sie mit abgespeicherten Erfahrungen – 570 Millisekunden später steht die kognitive Erkenntnis fest: "Meine Lieblingsmusik!"
Ampelphase GELB (Gefahr) als Dauereinstellung
Wird die Ampelphase GELB allerdings zur Dauereinstellung, weil sich zum Beispiel der Lebenspartner als brüllender Alkoholiker, dann erschlaffen zwei Mittelohrmuskeln – und das Gehirn meldet unklare, bedeutungslose Geräusch-Information zurück wie „Klingeln" oder „Pfeifen" – dann haben wir Tinnitus.
Bekommen wir dann noch Beteuerungen unseres Lebenspartners, dass er kein Alkoholiker ist, sondern nur Genussmensch – also widersprüchliche, chaotische soziale Beteuerungen – wird die Ampelphase tief dunkel GELB. Das Gehirn kann die Ampelphase „GELB, Achtung Gefahr“ und die widersprüchlichen Beteuerungen nicht verarbeiten. In letzter Konsequenz schaltet das Gehirn das Sinnesorgan Ohr ganz ab - ROT – und wir haben einen Hörsturz!
Doch jetzt kommen wir erst richtig in einen Teufelskreislauf. Das Abschalten des so wichtigen Hörsinn löst wiederum im autonomen, vegetativen Nervensystem heftige Reaktionen aus – es kommt zu Ängsten oder Panikattacken, die uns wiederum ganz verrückt machen. Und im „verrücktsein“ melden sich auch gleich noch die Verdauungsorgane, und … und ... und. Dann wird krampfhaft nach Wunderpillen gesucht, die das Problem „jetzt sofort" beseitigen sollen. Aber „gegen das Problem ankämpfen" verstärkt es oft weiter und führt zu noch heftigerem Stress.
Eine wertschätzende, prokative Kommunikation
Jetzt gilt es, mit Hilfe eines gewieften Gesprächspartner, die äußeren, sozialen Reize , die den Körper auf Abwehr gestellt haben, zu identifizieren und den inneren Stress des vegetativen Nervensystems zu lösen. In Folge werden die sozialen Mittelohrmuskeln aus ihrem Krampf und Festhängen erlöst. Nach meinen systemischen Beratungen auf chronische Störungen bekomme ich vielfach folgende Rückmeldungen:

„Jedes Mal, wenn ich an unsere Gespräche zurückdenke, erfasst mich ein wohliges Gefühl in meinen Körper und ein inneres Lächeln macht sich in mir darüber breit, wie Du dich immer wieder, egal was ich Dir gesagt habe, geweigert hast, den Mist, den ich geredet habe, zu akzeptieren. Immer wieder hast Du mich daraufhin gewiesen, das mein Selbstbild, das ich mir konstruiert habe, nicht mit dem übereinstimmte, was Du in mir gesehen hast, ähnlich der französischen Filmkomödie „Ziemlich beste Freunde“!
Chronische Störungen sind in erster Linie eine emotionale Beziehungsgeschichte und erst in deren Folge eine Geschichte organischer Funktionsstörungen. Eine wertschätzende, prokative Kommunikation in der Medizin ist nicht nur ein peripherer, sondern der zentrale Faktor von Heilungsprozessen chronischer Entzündungen.