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Annas Bergspitze

Wenn wir denken, wie wir immer denken, erreichen wir das, was wir immer schon erreicht haben.

Es lebte einmal ein Mädchen namens Anna. Mit ihren Schwestern wohnte sie bei ihren Eltern in einer kleinen Hütte. Mühselig arbeitete ihr Vater Tag für Tag und die Mutter half ihm so gut sie konnte. Es reichte gerade um die Familie zu ernähren. Abends wen Anna im Bette lag, sie teilte mit ihren beiden Schwestern eine kleine Kammer, da hörte sie ihre Eltern oft flüsternd miteinander reden. „Ach,“ klagte die Mutter, „wie soll ich dies alles bezahlen von was nur sollen wir die nächste Zeit leben.“ Der Vater seufzte dann jedes Mal und liess seine Schultern noch tiefer hängen. Diese Gespräche bedrückten Anna immer sehr. Während ihre beiden Schwestern selenruhig neben ihr schliefen, dachte sie voller Angst wie schlecht es ihren Eltern und Geschwistern ginge. Da sehnte sich Anna oft nach der Sonne, diesem wunderbaren Licht wessen ihr Herz einst erwärmte. Doch dies war schon lange her, heute war diese selige Wärme nicht mehr zu spüren, heute war alles grau.

Anna träumte sich zurück zu der Zeit wo ihr die Welt noch anders erschien. So voller Farben und Formen, voller Sonnenstrahlen die auf leuchtenden Flügeln um sie herum tanzten. Doch als sie damals ihren Schwestern von diesem lebendigen Glück erzählte, da schimpften sie sie eine Lügnerin. Auch Vater und Mutter konnten mit Annas Bildern nichts anfangen, sie seufzten damals müde „die Realität, die wirkliche Welt, sieht anders aus, wach endlich auf.“ Einzig Annas Grossmutter konnte sich gering an Farben und sanfte Wärme erinnern, doch die Grossmutter war schon alt und schon lange krank. „Ach Anna,“ sagte sie oft, „das ist alles schon so lange her, lange her.“ Eines Tages, es ging der Grossmutter sehr schlecht, da rief sie: „Anna mein Kind, komm her,“ sie nahm Annas kleine Hand in ihre zittrigen Finger, „meine Urgrossmutter erzählte mir einmal es gäbe ein Land, wo das Licht herrsche, alles wäre blühend voller Licht, da wären Berge viele Berge, auf jedem stehe ein Mensch und schwinge eine Fahne. Bevor sie starb schickte sie mich dieses Land zu suchen, doch meine Füsse liessen dies nie zu, sie lagen in Fesseln. Jetzt bin ich alt, die Fesseln sind nicht mehr, doch diese Suche trete ich nie mehr an, meine Reise führt mich an einen anderen Ort.“ Sie schloss ihre Augen und seufzte tief. Mit grosser Anstrengung hob sie nochmals ihre Lieder und sagte: „Anna, Anna versprich mir suche dieses Land.“ Noch einmal drückten ihre Finger die kleine Hand und dann schlief sie ein, für immer. Anna war damals untröstlich, sie weinte viele Tage lang. Noch heute spürte sie diesen Schmerz, so als wäre ihre Grossmutter gerade eben gestorben.

Doch dies lag schon einige Jahre zurück. Damals war sie noch zu klein um ihr Versprechen einzuhalten. Und jetzt, jetzt war alles so grau und leer. Anna versuchte sich an die tanzenden Sonnenstrahlen zu erinnern an dieses Farbenmeer, doch es gelang ihr nicht. Ob diesem Verlust da weinte sie sehr, sosehr das ihre Kehle zu schmerzen anfing. Vor Erschöpfung schlief sie dann endlich ein.

Da hatte Anna einen Traum. Ihr träumte Grossmutter nähme ihre Hand und sie hörte die Worte, „Anna, Anna, es ist Zeit, geh such das blühende Land, wo das Licht herrscht, wo alles was existiert seinen Platz einnimmt in seiner grossen Ganzheit, geh es ist Zeit suche deine Bergspitze.“

An diesem Morgen erwachte Anna ganz aufgeregt, noch in ihrem Hemd lief sie zu Vater und Mutter an den Tisch und erzählte ihren Traum „ich gehe dieses Land suchen.“ Doch ihre Mutter schalte sie: „Ach Tochter so ein Unsinn, fängt dies wieder an. Denk lieber daran zu helfen, heute liegt viel Arbeit vor.“ „Vater hör doch“, bettelte Anna. Doch ihr Vater hob müde den Kopf, „Kind, heute nicht, ich habe schlecht geschlafen du hast Mutter gehört.“ Traurig senkte Anna ihr Haupt, sie kämpfte mit den Tränen. Den ganzen Tag bei der Arbeit ging dieser Traum durch Annas Sinne. Bis sie sich entschied. „ Noch heute Nacht macheich mich auf die Suche“, dachte sie. Doch abends im Bette hörte sie es flüstern, „du wirst dich verirren, du wirst erfrieren, du wirst verhungern,“ Anna spürte Furcht in sich aufsteigen, doch mutig entgegnete sie: „Nein, nein, meine Grossmutter wird mich führen, ich nehme eine Decke und ein Stück Brot mit mir mit.“ Schnell setzte sie ihr Vorhaben um. Sie wickelte ein Stück Brot und etwas Ziegenkäse in eine alte zerschlissene Decke und machte sich auf den Weg.

Noch nie war Anna nachts alleine draussen und sie fürchtete sich sehr. Aus Angst das sie wieder umkehren würde, erlaubte sie sich nicht über ihr tun nachzudenken. Nach einiger Zeit kam sie zu einem Wald, da, am Rande zu einer Eiche legte sie sich hin und schlief erschöpft ein. Erschrocken fuhr sie aus ihrem Schlafe hoch, etwas hatte sie unsanft gepiekst. Noch mehr erschrak Anna als sie vor sich drei kleine hässliche schwarze Wesen gewahrte, Wesen die sie noch nie gesehen hatte. Sie lachten miteinander um die Wette, doch dies klang nicht fröhlich, sondern hässlich und gemein. Anna fröstelte.

Das erste Wesen sprach: „Seht dies zerschlissene Kleidchen an, Das zweite rief „Kein einzig gülden Stäubchen dran. Das dritte lachte: „Schaut diese grauen Schuh, so verliert sie ihren Weg im Nu.“ Wieder ertönte hässliches Gelächter. Anna hob einen Ast vom Boden auf und hieb auf die drei Wesen ein, die daraufhin erschrocken das Weite suchten. Der Schreck über die gehörten Worte sass Anna in den Gliedern, am liebsten hätte sie darob geweint, doch keine einzige Träne wollte fliessen. Ganz erstarrt schaute sie auf ihre grauen Schuh, in ihr hallten die Worte, <verliert ihren Weg im Nu>. Verzweifelt versuchte sie die Schuhe auszuziehen, doch sie waren zu fest gebunden, die Schnürsenkel liessen sich nicht öffnen. Plötzlich hörte Anna unweit gar unfeine Töne, sofort vergas sie ihre Schuhe und eilte in den Wald hinein. Da fand sie eine Schildkröte die rücklings auf der Erde lag, alle vier Beine zappelnd in der Luft. Anna fragte: „Kann ich dir behilflich sein.“ Die zappelnde Schildkröte hielt inne und näselte,„wer immer du bist, deine Hilfe käme mir sehr gelegen.“ So drehte Anna die Schildkröte wieder auf ihre Beine. Die Gerettete bedankte sich höflich und fragte: „Was machst du hier im Walde.“ So erzählte Anna ihre Not, „kennst du den Weg ins blühende Land?“ „Nun,“ antwortete die Gefragte,„ein Stück des Weges kann ich dich begleiten.“ Mit dem Einverständnis ihrer neuen Freundin, setzte sich Anna die Schildkröte auf eine ihrer Schultern. Nach einer Weile da machten sie Rast, den Anna war sehr Müde und konnte nicht mehr weiter. Der Wald war sehr dicht, der Boden voller Moos bedeckt. Sie teilten Brot und Käse miteinander, da fragte die Schildkröte: „Woher hast du diese Schuh.“ Ich weiss es nicht,“ antwortete Anna, „schon immer trage ich sie, diese Schuhe wurden schon vor mir getragen, doch von wem, das weiss ich nicht.“ „Du solltest sie ausziehen,“ meinte die Schildkröte weise. „Das kann ich nicht sie sind zu fest gebunden,“ jammerte Anna. Da hörten beide ein Weinen und Klagen. Sie schauten nach und fanden eine kleine Schlange die zwischen zwei Steinen eingeklemmt war. Anna befreite das arme Tier sofort und schaute nach Wunden, aber es waren keine zu finden. Die Schlange bedankte sich und fragte was sie hier im Walde suche. So erzählte Anna von ihrer Suche nach dem blühenden Land. Die kleine Schlange bot ihre Hilfe an und weil das kleine Tier dem Mädchen sehr gefiel da setzte sie sich die Schlange auf die andere Schulter, sofort spürte Anna vertrauen und Mut. So machten sie sich auf und gingen weiter. Doch die Bäume rückten immer näher zusammen, so dicht das sie sich bald verirrten. Ratlos schaute Anna in die hohen, mächtigen Kronen, es wurde ihr ganz bang so hoch waren diese. Da hörten sie ein verzweifeltes krächzen, so fanden sie einen zerzausten Raben der in einer hölzernen Falle sass. Geschwind befreite Anna den Raben aus seinem Gefängnis, glättete sein zerzaustes Gefieder und lies ihn wieder fliegen. Der Rabe flog einen hohen Bogen, kam wieder zurück und fragte: „Was machst du hier im tiefen Wald.“ „Ich habe mich verirrt, ich suche das blühende Land. Bis hier haben mich die Schildkröte und die Schlange begleitet, doch weiter kommen wir nicht,“ antwortete das Mädchen. Da flog der Rabe in die Höhe weit über die Baumkronen hinaus und wies so Anna den Weg. Endlich hatten Anna und ihre Freunde den Wald durchquert, vor sich sahen sie eine weite, dürre, graue, Ebene.„Von hieraus musst du den Weg alleine gehen, hier können wir nicht weiter,“ sagten ihre Freunde,„zieh dir die Schuhe aus,“ mahnen die drei, „es sind nicht die deinen.“Wieder versuchte Anna sich die grauen Schuhe auszuziehen, doch ihre Mühe ward vergebens. Die Schuhe schnitten tief ins Fleisch, doch das Mädchen fühlte keinen Schmerz.

So nahm Anna traurig Abschied und ging weiter. Stunde um Stunde lief sie durch die trostlose, graue Gegend, doch überall sah es gleich aus, so das sie glaubte im Kreise zu gehen. Vor Erschöpfung stolperte Anna über ihre Schuhe und fiel hart zu Boden, „ach diese dummen Schuh, so verliere ich den Weg im Nu,“ dachte Anna. Sie fühlte sich ohne ihre Freunde so ganz alleine, verzweifelt wünschte sie sich zu weinen, doch Tränen konnten keine fliessen. Da spürte sie in ihrer Not etwas hartes unter ihrer rechten Hand, neugierig griff sie danach. Ein voller Erde verkrustet Ding hielt das arme Mädchen da in ihren Fingern und als es dies von Schmutz befreite, da kam ein goldener, mit Edelstein besetzter Dolch zum Vorschein. Die Klinge war messerscharf, so das sie sich in den Zeigefinger schnitt, Blut tropfte aus der Wunde und fielen auf die graue Schuhe. Nun spürte Anna wie ihre Fussgelenke schmerzten. Geschwind schnitt sie mit dem Dolch die Schnürsenkel auf und zog sich die grauen Schuhe aus. Zum erstenmal in ihrem Leben war sie sich ihrer Füsse gewahr. Zum erstenmal in ihrem Leben spürte Anna wie ihr Blut bis in die kleinste Zehe floss. Gerührt fing sie an zu weinen, sie weinte so fest das alles ringsum nass wurde und oh Wunder, plötzlich veränderte sich das Land, alles wurde blühend, alles fing an zu atmen und zu leben.

Vor sich gewahrte Anna einen Berg, ohne zu wissen warum ging sie darauf zu. Mit der zerschlissenen Decke und einem knorrigen Stab in den Händen, machte sie sich auf den Berg zu erklimmen. Es läst sich nicht beschreiben was Anna da alles erfährt, doch je weiter sie aufstieg, desto heller wurde es, die grauen Nebel zogen sich immer mehr zurück, sie sah unter sich das blühende Land, all die Farben und die tanzenden Sonnenstrahlen. Ohne Rast stieg sie weiter bis zur Spitze und hier, hier spürte Anna endlich die Freiheit wieder, diese Leichtigkeit des seins. Ringsum sah Anna Bergspitzen, überall, höhere und tiefere.

Sie band die graue zerschlissene Decke an den knorrigen Stab da bemerkte sie voller Verwunderung, dass die Decke nicht mehr grau war, sondern in allen Farben leuchtete.„Die Brücke zur Unendlichkeit,“ hörte Anna hinter sich. Wie sie sich umdrehte da gewahrte sie einen lächelnden Engel. Dieser Engel küsste Anna auf die Stirn und legte ihr einen wundervollen, glänzenden Lichtstein in die Hand.„Kehre zurück zu deiner Familie und bringe ihnen dieses Licht, damit sie sich nicht mehr fürchten.“ So sagte er und entfernte sich wieder. Staunend betrachtete Anna diesen Stein der so voller Leben in ihrer kleinen Hand lag. Ja, sie wollte wieder zurückkehren in die graue Welt, sie wollte den Menschen vom blühenden Land und den Bergspitzen erzählen, der Stein sollte Beweis genug sein und dieses Mal würde man ihr zuhören. Nochmals atmete sie tief ein, bis tief in ihr Herz, bis sie ganz erfüllt war von dieser Leichtigkeit, dieser Kraft, dieser Freiheit. Sie wusste das sie all dies nie mehr verlieren würde. Ja, Anna wusste das sie immer wieder auf ihre Bergspitze zurückkehren konnte.

Autorin: Ursula Kupferschmid